Ein besonderes Schmiedestück

Kropfachse für Trambahn- Dampflokomotive gefertigt

Im Frühjahr 2021 bekamen wir von der niederländischen Firma Kleinbaan Service B. V. aus Windschoten  die Anfrage, ob wir für eine historische Trambahn-Dampflokomotive das Hauptantriebselement, die sogenannte Kropfachse, schmieden können. Da wir in der Vergangenheit schon öfters für historische  Fahrzeuge Prototypen geschmiedet haben, wie zum Beispiel im letzten Jahr für die Öchsle-Bahn in Oberschwaben, eine sogenannte „Hallesche Kurbel“ , haben wir bei den Restauratoren von historischen Dampflokomotiven einen guten Namen.
Seit einigen Jahren arbeitet das Team von kleinbaan an der Restaurierung einer mittlerweile nahezu einmaligen Trambahn-Dampflokomotive, hergestellt im Jahr 1899 bei der bekannten Lokomotivfabrik Henschel in Kassel für die Dürener Dampfstraßenbahn. Die Lokomotive überlebte nur durch Zufall. Aus dem regulären Dienst schied sie bereits um 1940 aus und gelangte nach einem wesentlichen Umbau als Werklok zu einer Papierfabrik, wo sie zumindest zuletzt nicht sehr pfleglich behandelt wurde und schließlich auch dort um 1970 auf dem Abstellgleis landete. Vor etwa 5 Jahren begann nun die Aufarbeitung der Lok mit dem Ziel, sie so weit wie möglich in den ursprünglichen Zustand zurückzubauen, wobei großer Wert auf eine technisch einwandfreie Arbeit gelegt wird.Als eine von mehreren Besonderheiten weist die Lok ein Innentriebwerk auf – d.h. die Dampfzylinder sind nicht wie bei den meisten anderen Dampflokomotiven außen am Rahmen angeordnet, sondern befinden sich innerhalb des Rahmens. Hierdurch wird eine ähnlich der Kurbelwelle eines Verbrennungsmotors oder einer Schiffsdampfmaschine geformte  Treibachse, eine sogenannte Kropf- oder Kurbelachse, erforderlich. Leider zeigte sich nun während einer Rißprüfung, dass die vor nunmehr 122 Jahren in Kassel geschmiedete Kropfachse zahlreiche Anrisse aufweist, die so tief ins Material hineinreichen, dass sie durch Materialabtrag nicht beseitigt werden können. Ein Reparaturversuch durch eine Schweißung kommt nicht in Betracht, da das Schweißen einer Radsatzwelle nicht zulässig ist. Somit bleibt nur die Anfertigung einer neuen Kropfachse aus einem geschmiedeten Rohling. Nach klärung der technischen Einzelheiten, wie Werkstoff, Wärmebehandlung und Schmiederealisierung, wurde die Achse mit einem Gewicht  von circa 600 Kilogramm in mehreren Arbeitsschritten gefertigt. Wichtig war dabei, dass die Kurbelzapfen um 90 Grad versetzt geschmiedet werden mussten, der Antriebsstrang jedoch mittig verläuft. Nach vier Stunden Arbeit war das Werkstück fertig geschmiedet.
Es wird jetzt noch vergütet, sandgestrahlt und verschiedenen Prüfungen unterzogen, bevor seine Reise nach Tschechien antritt, wo es fertig bearbeitet wird.

Ein Artikel von  Fritz Baumann